kleiner Bericht vom Beratungsgespräch:
also Gaia, Monika und ich waren letzte Woche beim Wohlfahrtswerk und haben Gedanken ausgetauscht mit Herrn M.
Zuerst was konkretes: wir haben die Hürden, die sich in unserem Weg aufbauen, betrachtet und in eine Reihenfolge gebracht.
1) Wohnraum finden: Herr M. empfiehlt, Wohnungsbaugenossenschaften anzuschreiben und das Projekt dort vorzustellen. Außerdem wäre die Stadt ein Ansprechpartner unter dem Stichwort "Raumplanung, Strukturentwicklung"
2) Träger/Geldgeber finden: Herr M. empfiehlt, Stiftungen anzuschreiben - unter dem Stichwort "Inklusion".
3) Kosten kalkulieren: Herr M. empfiehlt, sich zu diesem Thema mit einem ambulanten Dienst zusammen zu setzten - und dabei zu bedenken, dass man mit WG's zwar nicht reich werden kann, ambulante Dienste aber in der Regel trotzdem großes Interesse an WG's haben (viele Kunden mit wenigen Wegezeitverlusten... Anschlusslösung für Klienten, die zu Hause nicht mehr betreut werden können...)
4) Beratung akquirieren: Herr M. empfiehlt, noch mal zu überlegen, welchen Beratungsbedarf wir überhaupt hätten und vielleicht mal eher den Austausch mit bestehenden WG's zu suchen (bsp. in Sachen Kalkulation) - weil die allermeisten Beratungsangebote Geld kosten. Vom KDA gibt es wohl eine Förderung - aber nur einmalig und nur für "Beratungskosten bei Planung- und Konzeptentwicklung".
Und im Detail: Herr M. hatte unser Konzept sehr genau gelesen und ein paar Punkte mit uns betrachtet.
* Aus seiner Erfahrung ist es für WG-Bewohner ein Problem, wenn sie im Lauf der Zeit in die
Sozialhilfe rutschen. Denn Menschen in der Pflegestufe 1 und 2 bekommen ja von den Kassen weniger Leistungen, wenn sie "in einer privaten Häuslichkeit" - also ambulant versorgt werden und nicht im Heim wohnen. Was die Kassen nicht zahlen, muss das Sozialamt übernehmen - und das findet dann diese Wohnform schnell zu teuer und drängt in der Praxis wohl darauf, "in's Heim zu verlegen", wo dann die Kosten wieder zu Lasten der Kassen anfallen. Das Wohlfahrtswerk prozessiert wohl in dieser Sache schon seit geraumer Zeit - und wird hoffentlich einen Präzedenzfall "im Sinn der WG" erstreiten.
* Aus Sicht von Herrn M. haben WG's außerdem einen relativ hohen "
Belegungsdruck" - weil natürlich Einnahme-Ausfälle (Leerstand) in so kleinen Einheiten schlechter weggesteckt werden können als in großen Häusern großer Träger. Und unter diesem Belegungsdruck kann sich die Bewohnerstruktur ungewollt so verändern, dass die "Beteiligung" darunter leidet. Also im Idealfall würden wir ja solche Bewohner aussuchen, die besonders nett sind und ganz besonders nette Angehörige haben, die mitmachen und gute Stimmung verbreiten und durch ihre Mitarbeit helfen, Kosten zu senken... Wenn das Geld knapp wird, könnten aber vielleicht auch andere Erwägungen entscheidend werden.... Der Gedanke der Beteiligung oder "geteilten Verantwortung" sei aber das Herzstück einer gelingenden WG, sagen alle Experten, nicht nur der Herr M.
* Deshalb hat Herr M. empfohlen über die Größe der WG noch Mal nach zu denken -
12 statt 8 Bewohner würden den "Belegungsdruck" mildern. 12 Menschen wirke zwar viel - zu viel, um in individuellen Kontakt treten zu können. Auf der anderen Seite sei dem Lebensalter aber geschuldet, dass nicht jeder jeden Tag in der Verfassung wäre, an Gruppe teil zu nehmen. So dass man quasi zu zwölft wohnen müsse, um zu etwa acht zu leben.
* Dann war eines unserer Themen der
Nacht-Dienst. Aus Sicht der WG könnte man ja sagen, dass dieses das Problem des ambulanten Diensts wäre, der die Betreuung übernähme - und dann halt je nach Bedarf und Pflegestufe für eine Bereitschaft sorgen muss. Herr M. meinte aber, dass die Entscheidung in eine WG zu ziehen eben meistens damit zu tun hat, dass ein Mensch 24 Stunden jemanden braucht, der einfach da ist und dass damit dann eben irgendwann das pflegende Umfeld überlastet ist und Entlastung in einer WG sucht. Also sei eine "Präsenz rund um die Uhr" zwar vielleicht keine gesetzliche aber eine menschliche Vorgabe. Und natürlich ein erheblicher Kostenfaktor. Über Finanzierungsmodelle über Betreuungsgelder haben wir ansatzweise auch gesprochen.
* Ja und dann hat uns Herr M. erzählt, wie das Wohlfahrtswerk versucht, Strukturen zu schaffen, die die üblichen Machtverhältnisse (Pflege als normgebende Instanz, Hierarchisierung der Beziehung) überwindet. Und zwar haben sie in einem ihrer Häuser die Pflege abgeschafft/outgesourced und holen sie über mehrere ambulante Dienste von außen hinzu. Die ambulanten Dienste haben Touren, versuchen also nicht auf einem überschaubaren Raum (Station) die Prozesse zu optimieren, so dass sich Ablaufroutinen entwickeln - sondern gehen, wie sie vom Klienten/Bewohner beauftragt werden über alle Stockwerke des Hauses. Die ehemaligen Stationen wurden unterteilt in kleine Wohneinheiten, denen jeweils eine Präsenzkraft fest zugeordnet ist, die nicht aus der Pflege kommt und deshalb auch nicht "mal schnell einspringen kann" zu Lasten der Betreuung.
Aus Sicht von Herrn M. ist der Gedanke der "Ganzheitlichkeit" für Pflegende oft eine zu hohe Forderung und für die Gepflegten eine potenzielle Demütigung - weil die Beziehung zwischen Pflegenden und Gepflegten eben eine Beziehung zwischen Helfendem und bedürftigem Hilfeempfänger sei und damit hierarchisch/asymetrisch - wenn die beiden zusammen auf dem Klo sind sowieso aber eben auch, wenn die beiden am Kaffeetisch Biografiearbeit machen. Also ist es besser, wenn die "ganzheitliche Bedürfnisbefriedigung" eben nicht exklusiv in Händen Pflegender liegt - sondern viele verschiedene Menschen und Professionen und Blickwinkel integriert.
* Ach ja und zugestimmt hat uns Herr M. übrigens sehr, bei der WG einen integrativen Ansatz zu wählen - also keine reine "Demenz-WG" auf zu bauen sondern eine Gemeinschaft von Menschen mit unterschiedlichen Graden der Orientierung. Denn aus seiner Erfahrung und persönlichen Überzeugung wird diese Form dem betreuten Menschen gerechter und schafft mehr Möglichkeiten für das Umfeld sich zu identifizieren, inkludieren, investieren...
so jetzt aber: genug geschwätzt
herzlicher gruß lalu